Im folgenden Text von Bettina Egger können Sie viel über die
Grundlagen der Bildarbeit beim Begleiteten Malen und beim
Lösungsorientierten Malen erfahren.
Bettina Egger:
Der Mensch ist ein "homo expressionensis", wir können uns
nicht nicht ausdrücken. Wir fühlen uns optimistisch und
lebensfroh, wenn wir unsere Qualitäten bekunden können.
Ausdruck beschäftigt uns sehr: wir ersticken daran, dass wir
etwas nicht äussern können, wir haben Angst davor, uns zu
zeigen, manchmal wird uns verboten zu sagen was ist. Wenn
wir das Gefühl haben, uns nicht ausdrücken zu können, werden
wir krank.
Bewegung, Töne, Bilder, Worte, sind Träger des menschlichen
Ausdrucks, das Ziel ist die Begegnung, der Kontakt mit dem
Anderen. Wir wollen mittels unseres Ausdrucks erkannt werden
und den anderen erkennen. Dies erlöst uns von unserem einsam
sein, lässt uns unsere Nöte und Freuden teilen, schmettert
unsere Eigenart in die Welt hinaus. Wir wollen gleich sein
und wir wollen anders sein und die anderen sollen beides
wissen.
Als Maltherapeutin ist mein Augenmerk täglich auf den
bildnerischen Ausdruck und auf die Bewegungen und Worte
gerichtet, die diesen Vorgang begleiten. Mein Erkennen und
Verstehen spielt sich also gleichzeitig auf zwei Ebenen ab:
auf der verbalen und auf der nonverbalen. Mit meinem
Verstand kann ich die verbale Ebene verstehen, mit meinem
Herzen die nonverbale. Gemalte Bilder sind nicht verbal und
können nur mit dem Herzen erkannt werden.
Leider ist unser Verstand nicht zufrieden, wenn er, wie beim
Arbeiten mit Bildern, nur mit dem Herzen reagieren sollte.
Er giert nach Erklärungen, nach Worten, welche die
vielschichtigen Erfahrungen linear aufreihen und ihn somit
beruhigen. Das Resultat dieser Haltung sind tausende von
Büchern, welche Bilder erklären, ob in Kunstgeschichte oder
in Kunsttherapie. Wenn wir, möglichst schon vor dem malen,
wissen, was ein Bild bedeutet, müssen wir uns nicht immer
wieder neu davon berühren lassen.
Schon als Kleinkinder wurden wir genötigt unsere Bilder zu
erklären. "Was ist denn das Schönes, was du da malst?" ist
die Frage, die uns vom Moment an, an dem wir einen Bleistift
halten können, durch unser Leben begleitet. Wir sind uns
gewohnt zu sagen, welche Bilder unsere Wut, unser
Gefesseltsein, unsere Sehnsucht nach Geborgenheit
darstellen. Ja, wir beginnen mit dem Malen, indem wir zuerst
die Gefühle und Wünsche benennen, die wir ausdrücken
möchten, und merken gar nicht, dass wir die Bilder damit zu
Sklaven unseres Verstandes machen. Sie werden, wie alle, die
genötigt werden, nur das zeigen, was wir wörtlich von ihnen
wollen. Dies hinterlässt ein schales Gefühl und wir haben
keinen Zugang mehr zu unseren vielschichtigen,
überraschenden, manchmal unbequemen Bildern, die wir,
nachdem sie gemalt sind, mit dem Herzen erkennen können und
die uns nähren.
Ich
unterscheide zwischen unter anderem zwei verschiedenen
Hauptarten von Bildern: den symbolischen und den
metaphorischen Bildern. Die ersten können als Illustration
eines Gedankens, die letzteren als Bilder an sich, die eine
Analogie erlauben, bezeichnet werden.
Das metaphorische Malen beruht auf dem metaphorischen
Denken, einem Denken das annimmt, dass das gewohnte,
denkende Ich nicht alles weiss. Ohne die Qualität
dieses denkenden Ichs schmälern zu wollen, sondern im
Gegenteil, indem ich das denkende Ich durch den
metaphorischen Prozess erweitere, gebe ich ihm Anstösse,
komme ich zu Lösungen, die in mir schlummern, zu denen ich
aber keinen unmittelbaren Zugang habe. Dieser Zugang geht
über das spontane Bild.
Es ist nicht ganz einfach den Unterschied von symbolischen
und metaphorischen Bildern einleuchtend zu erklären. Zum
einen kann argumentiert werden, dass sowohl das Symbol wie
die Metapher (Sinnbild) für etwas anderes steht, die beiden
also keinen Unterschied aufweisen, zum anderen sind wir von
der Bedeutsamkeit von Symbolen durch die Arbeit von C.G.
Jung, S. Freud und anderen überzeugt worden. In meiner
langjährigen Praxis habe ich jedoch nicht erlebt, dass
Symbole entstanden sind, welche eine energetische Wirkung
auf die Malenden hatten.
Für mich hat sich in der Praxis des Malens ein
grundsätzlicher Unterschied zwischen Symbol und Metapher
gezeigt, der sich direkt auf das Begleiten der Bilder
auswirkt. Diese Wirkung kann nur aufgrund des Unterschiedes
zwischen Metapher und Symbol und des Verständnisses des
metaphorischen Prozesses begriffen werden.
Symbolische Bilder
sind Abstraktionen, Illustrationen eines Gedankens und
entstehen nach dem Denken, d.h. sie sind immer bereits
bekannt. Das Bild generiert keine neue Information, es ist
auf eine Idee reduziert, muss erklärt werden und bietet
keine Überraschung. Im Gegenteil, das schon Gewusste, das
Befürchtete wird gefestigt. Symbolische Bilder werden in der
Regel schnell gemalt, der Hintergrund ist meistens belanglos
oder gar nicht bearbeitet, die Malenden sind mit der
Bedeutung der Formen und Farben beschäftigt und
identifizieren sich schon während dem Malen mit einzelnen
Elementen des Bildes.
Metaphorische Bilder entstehen vor dem Denken. Sie
sind in sich geschlossene Bilder mit einer eigenen
Bildlogik, die beim Malen einzuhalten ist. Metaphorische
Bilder werden langsam gemalt, die Malenden kümmern sich um
das Auftragen von Farbe auf Papier, beschäftigen sich mit
der Geschichte, die im Bild entsteht und die durch das Malen
deutlicher wird. Die Umgebung einer Sache ist ebenso
bedeutsam wie die Sache selbst. Die Malenden sind dem Bild
gegenüber arglos und identifizieren sich nicht damit.
Erst das fertige Bild wird als Analogie zum Leben betrachtet,
sowohl auf der Bild- wie auf der Prozessebene. So kann sich
die Einstellung zu einem Anliegen auf überraschende Weise
erweitern und Lösungen können gefunden werden.
BEISPIEL
Im wöchentlichen Malen entstand das nachfolgende Bild.
Die Malende erklärte mir, dass sie sich vor mehreren Jahren
für eine Abtreibung entschlossen hatte und jetzt versuchen
wolle, damit fertig zu werden. Sie hätte schon ewig lange
nicht mehr daran gedacht und sei erstaunt, dass das jetzt
aufkomme.
Dieses
symbolische Bild hatte auf die Malende keine Wirkung, sie
blieb trotz des brisanten Themas unberührt. So bat ich sie,
ein Grab für den Fötus zu malen. In genau vorgeschriebenen
Schritten liess sie auf dem Blatt einen Ort entstehen, wo
ihr abgetriebenes Kind Ruhe finden konnte. Die Malende
schrieb am Schluss auf das kleine Grabmal: "Mein Kind". Nun
war sie tief berührt, weinte und es war ihr möglich, einen
gefühlvollen Abschied zu nehmen.
Während die Malende das erste Bild genau erklären konnte,
reagierte sie auf das zweite Bild mit ihrem Gemüt und auch
ich war sehr berührt , ich konnte über das Bild die Malende
in ihrem gleichzeitigen und vielschichtigen Wesen erkennen
und somit an diesem Schmerz ihres Lebens teilhaben. Sie war
zu dem Zeitpunkt nicht allein gelassen.
Hier seien nochmals die wichtigsten Unterschiede zwischen
Symbol und Metapher zusammengefasst: eine Metapher entsteht
vor dem Denken, ein Symbol danach. Das Symbol drückt aus,
was wir wissen, eine Metapher das, was wir noch nicht
wissen. Ein Symbol erhärtet unsere Ansicht, eine Metapher
erweitert oder widerlegt sie sogar. Dasselbe Symbol bedeutet
immer dasselbe, dieselbe Metapher erhellt ganz verschiedene
Situationen. Symbole müssen erklärt werden, Metaphern haben
keine Worte. Symbole sind schnell gemalt, Metaphern brauchen
Zeit. Symbole sind auf die Hauptsache beschränkt, Metaphern
leben von der Beziehung zur Umgebung. Symbole werden während
dem Malen interpretiert, Metaphern werden absichtslos fertig
gemalt bevor eine Analogie gezogen wird. Symbole beinhalten
keine Überraschung, Metaphern immer.
Aufsatz über >>>
LOM-Trauma-Arbeit
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